St. Jakob
1. März 2023
Präventionsfortbildung bei Frau Dr. Helmig im Priesterseminar in St. Jakob
(Beiratsmitglieder: Rosi Wenzel, Richard Nusser)
Erfahrungsbericht
"Am 1. März 2023 kamen wir zu einem Fortbildungsseminar ins Priesterseminar. Frau Dr. Helmig hatte uns zuvor bei einem gemeinsamen Treffen im Haus Werdenfels spontan in ihr Präventionsseminar eingeladen.
Nachdem wir uns vorgestellt und als Betroffene zu erkennen gegeben hatten, wurden wir von von den etwa 20 anwesenden Frauen und Männern (Priesteramtskandidaten, Studierende, Pfarreimitarbeitende und andere) respekt- und erwartungsvoll begrüßt. Prävention ist für uns das wichtigste Element zum Thema Missbrauch, insofern fühlten wir uns dort gerade am richtigen Ort; Frau Dr. Helmig hat uns in ihrem Programm spürbar den richtigen Platz zugeordnet. Zur Theorie lieferten wir die Realität. Aus den Augen und Gesichtern der Teilnehmer/innen konnten wir ganz deutlich erkennen, wie unsere Schilderungen der Leiderfahrungen emotional ankamen. Ohne dass wir einen Voyeurismus bedienten, führten unsere Darstellungen sehr konkret zur Betroffenheit der Teilnehmer. Frau Helmig stellte ihrerseits wiederum den Bezug zur Theorie her, sodass sich ein geschlossener Kreislauf ergab.
Bei dieser Gelegenheit sprachen wir auch über unseren Betroffenenbeirat: seine Gründung, sein Selbstverständnis als Gremium der Hilfe und nicht als Selbsthilfegruppe, seine Ziele und seine Vorgehensweise, die Vielfalt unserer Mitglieder, die grundsätzlichen Schwierigkeiten mit der Kirche, unsere Absicht in einer weit angelegten Bandbreite zu helfen (den Betroffenen, aber auch der Kirche) angefangen bei "Recht und Würde zurückbekommen" bishin zu "wieder Vertrauen gewinnen".
Die Reaktion der Teilnehmer war sehr positiv. Sie stellten Fragen und folgten aufmerksam unseren Antworten. Frau Dr. Helmig moderierte sehr empathisch und uns zugewandt. Zur Verabschiedung dankten sie und die Anwesenden unserem Beitrag durch warmen Beifall. Wir und Frau Dr. Helmig sind davon überzeugt, dass unsere Teilnahme sehr sinnhaft war. Deshalb möchten wir uns herzlich bei ihr bedanken für ihr Engagement, den Betroffenenbeirat Regensburg weiterhin in ihre Präventionsveranstaltungen zu integrieren. Wir empfinden es als sehr bedeutsam damit unserer Absicht, präventiv wirksam zu sein, einen weiteren Schritt näher zu kommen. "
(Text: Richard Nusser)
Windberg
Präventionsfortbildung Windberg, 2. November 2023
"Der Betroffenenbeirat Regensburg erhielt eine Einladung zu einer Präventionsfortbildung für die Jugendreferenten des Bistums in Kloster Windberg. Wir bekamen die Möglichkeit, einen Nachmittag für die Jugendreferenten des Bistums zu gestalten. Frau Wenzel und ich wurden von den Teilnehmer/innen und der Leitung herzlich aufgenommen. Etwa 50 Jugendreferenten saßen im Kreis um uns.
Für uns ist es nicht einfach, über unsere Leiderfahrungen zu berichten, weil dadurch das Geschehene immer wieder schmerzhaft aufgewühlt wird.
Aber wir wollen als Betroffene unsere Realität in die Theorie der Fortbildung einbringen. Dabei verstehen wir uns nicht als Opfer, sondern als Tatzeugen, Zeitzeugen, Wegweiser. Unser Engagement für diese Sache übertrifft unser Betroffensein bei weitem. Wir sind auch keine Selbsthilfegruppe, sondern wir helfen Betroffenen und setzen uns dafür ein, dass Missbrauchstaten möglichst nicht mehr geschehen und dass Kirche wieder Vertrauen gewinnen kann.
Wir sind aber völlig unabhängig von der Kirche.
Zuerst brachten wir Klarheit in die Abkürzungsvielfalt: UAK, UBSKM, BBR, DBK, UKA etc. Und wir erzählten von der Entstehungsgeschichte des Betroffenenbeirats Regensburg, von der Zusammensetzung unseres Gremiums aus Frauen und Männern, Älteren und Jüngeren, verschiedenen Berufen und Kompetenzen. Wir stellten unsere Ziele, Absichten, Unternehmungen, Pläne und Vorhaben vor.
Anschließend definierten wir den Begriff Missbrauch nach kanonischem Recht CIC und nach Strafgesetzbuch StGB; wir beschrieben die unterschiedlichen Leitbegriffe, die Kirche und demokratische Gesellschaft verwenden: Wahrheit, Seelenheil, feudales System gegenüber Freiheit, Gleichheit, Selbstbestimmung, Demokratie. Und wir stellten die Auswirkungen dieser begrifflichen Unterschiede auf die Behandlung des Missbrauchsgeschehens dar.
Im Zentrum stand anschließend die Realität unserer Missbrauchsgeschichten. Ohne einen Voyeurismus zu bedienen, erzählten wir einem jungen Publikum Erfahrungen aus einer fernen Vergangenheit. Frau Wenzel berichtete über ihr Leben in Kinderheimen und stellte plastisch die Konsequenzen des Missbrauchs für das Leben und die Gesundheit der Betroffenen dar. Und stellte die Frage, warum das staatliche Wächteramt in Form der Jugendämter nicht beschützend eingegriffen habe. Ich berichtete über die Spanne eines 50 jährigen Schweigens und die Phase des sich allmählich Öffnens, verbunden mit den Fragen:
Warum hat niemand etwas bemerkt, weder Familie, noch Freunde, noch Lehrer oder doch bemerkt, aber geschwiegen? Wie kann man mit dieser seelischen Wunde alleine umgehen? Warum muss man all die Jahre schweigen? Welche Macht hatten /haben Scham und Schande, gesellschaftliche Situation, kirchliche Autorität und vorgebliche Heiligkeit der Priester?
Die anschließenden Fragen der beeindruckten Teilnehmer/innen zeigten uns ganz deutlich, dass wir die Menschen erreicht hatten. Deshalb glauben wir auch, hoffen zu können, dass sie alle unsere Botschaften weitergeben werden und sich bewusst bleiben, dass der Kampf gegen Missbrauch die Aufgabe aller Menschen ist.
In diese, unsere Zufriedenheit mit diesem Nachmittag kam eine Erschütterung über die Äußerung eines älteren Priesters im Gespräch mit uns. Er behauptete, dass wir Betroffene froh sein können, im Zusammenhang der katholischen Kirche missbraucht worden zu sein, weil die Kirche wenigstens eine Anerkennungsleistung bezahle. Wir konnten uns in unserer völligen Sprachlosigkeit angesichts dieser Meinung nur von ihm abwenden, ohne geantwortet zu haben. Das war noch schlimmer als die Aussage, die wir oft von Pfarrern hören: „Bei uns war nichts!“ Auch wenn nichts war, ist und bleibt es Aufgabe aller, Priester und Laien, gegen den Missbrauch zu kämpfen und die Öffentlicheit dafür zu sensibilisieren."
(Text: Richard Nusser)